Kampffische und Nanobecken

Ist die Haltung von Kampffischen in kleinsten Aquarien wirklich sinnvoll?

Sehr oft lese ich, dass Kampffische für kleinste Aquarien bei dauerhafter Haltung empfohlen werden, teilweise mit Inhalten unter 10 Litern. Mir rollen sich dann jedesmal die Fußnägel hoch. Die gleichen Leute die sagen, dass Fischhaltung in Aquarien unter 60cm Breite absolut nicht geht, machen für Kampffische eine Ausnahme. Man sollte doch annehmen, dass es mittlerweile einen Konsens gibt, dass die Haltung von Tieren auf engstem Raum, keine geeignete Haltungsform ist. Ob das Schweine, Hühner, Wellensittiche oder halt Fische sind.

Erstmal muss man sagen, dass Kampffisch nicht gleich Kampffisch ist. Es gibt verschiedene Arten und fast schon unzählige Zuchtformen. Für mich sind einige der Kampffisch-Zuchtformen dabei durchaus grenzwertig zu nennen. Gerade die extrem langflossigen Varianten sind teilweise nicht mehr in der Lage ihre Flossen vernünftig zu nutzen. Die Fische legen sich regelmäßig ab, um ihre Kräfte zu schonen. Und diese Verhaltensweise wird dann als Begründung angeführt, dass sie ja keinen Schwimmraum brauchen. Wenn man für Fische extra Ablagen in Oberflächennähe schafft, weil sie aus eigener Kraft sich dort nicht lange halten können, ist für mich eine Grenze überschritten. Dass dann noch Betta-Bett zu nennen, ist an Ironie ja kaum zu überbieten. Diese Zuchtformen sind für mich überzüchtet. Genau wie Hunde, die nicht mehr richtig atmen können, gehört meiner Ansicht nach die Zucht von Fischen die nicht vernünftig schwimmen können, in den nicht erwünschten Bereich. Diese Fische sollten nicht weiter gezüchtet werden.

Für eine solche Meinung wird man bei Diskussionen regelmäßig angegangen. Die Hochzucht gibt es schon ewig; die Fische kommen da sehr gut mit klar; ich züchte die Fische jetzt XY Jahre – da werde ich das wohl besser beurteilen können. Nur einige der Argumente die man dann hört. Das geht dann schnell auch in persönliche Beleidigungen oder dem Absprechen jeglicher Sachkenntnis. Natürlich haben Menschen, die sich hauptsächlich mit der Betta-Zucht beschäftigen, einen anderen Blickwinkel als ich. Jeder Standpunkt ist von den eigenen Interessen geprägt. Wer gern schnell Auto fährt ist gegen ein Tempolimit. Es werden dann halt passende Argumente für den eigenen Standpunkt gesucht.

Wer sich hier also persönlich angegangen fühlt, dem möchte ich klar sagen, dass dies nicht meine Intention zu diesem Artikel ist. Weder fordere ich ein Verbot für diese Fische, noch möchte ich jemanden die Haltung dieser Tiere verbieten oder die Art der Haltung vorschreiben. Es geht mir einzig darum Anstöße zum Nachdenken zu generieren. Müssen es wirklich die Bettas mit den langen Flossen sein? Und vor allem sind Kleinstaquarien wirklich sinnvoll für diese Fische? Oder dienen sie nur dazu möglichst viele Fische halten zu können?

Diese Hochzuchtformen sind natürlich in fast allen Bereichen der Aquaristik zu finden. Es gibt genauso langflossige Guppy, Ancistrus, Goldfische usw. Auch dort ist in jedem Einzelfall von jedem selbst zu entscheiden, ob diese Fische für das eigene Aquarium sinnvoll sind und ob man sie halten möchte. Ich verurteile niemanden der diese Fische hält. Man sollte sich nur vorher Gedanken gemacht haben und diese Entscheidung dann bewusst treffen. Das ich diese Tiere nicht halte und auch die Haltung in Kleinstaquarien nicht für sinnvoll erachte, ist wahrscheinlich ja bereits klar geworden. Allein aufgrund der Größe würde ich einen Betta dauerhaft nicht unter 30 Liter halten, unabhängig von der Schwimmfähigkeit. Und Wild- oder kurzflossige Zuchtformen gehören für mich ebenfalls in min. 60*30cm Aquarien.

Studie Mindestanforderung

Eine Forschergruppe des Institut für Biologiedidaktik Gießen hat 2022 eine Studie zum Verhalten von Schleierformen abhängig von der Aquariengröße durchgeführt.

Externer Link: PDF-Bericht der Studie

Die grundsätzliche Fragestellung war dabei, unter welchen Bedingungen die Einzelhaltung von männlichen Betta splendens im Sinne des Tierwohls möglich ist. Dazu wurden mehrere Betta einzeln in 35l-Aquarien über mehrere Monate beobachtet. Als Vergleich diente ein Betta in einem 55L-Aquarium.

Die Abmessungen der 35Liter Becken lagen bei 40x32x28cm und somit einem Brutto-Volumen von etwa 35,8 Litern. Diese Studie betraf allerdings nur großflossige Schleierformen und nicht die Naturform oder kurzflossige Zuchtformen. Die Forschergruppe weist aber daraufhin, dass Zuchtformen, die fast nicht mehr schwimmfähig sind, Qualzuchten sind und der Verkauf und ihre Haltung nicht unterstützt werden sollten. Wo da allerdings die Grenze ist, sagt die Studie nicht aus.

Das Ergebnis der Bewegungsanalysen zeigte ähnliche Bewegungsmuster für alle Aquarien. Was mir allerdings aufgefallen ist, ist der Unterschied zwischen dem Verhalten in der Habitat-Beschreibung und dem der Versuchstiere. In der Natur zeigen sich die Tiere eher ruhig unter der Wasseroberfläche stehend und im Aquarium oft in Bodennähe. Wie groß die Reviere in der Natur sind blieb ungeklärt.

Das Fazit der Studie lautete, dass die Haltung von Betta splendens (Zuchtform) in 35Liter-Aquarien möglich ist. Es konnte keine Einschränkung der artgerechten Haltung festgestellt werden. Eine Vergesellschaftung mit Garnelen und Rennschnecken funktioniert problemlos. Eine Haltung mit anderen Fischen sollte nicht erfolgen. Mindestgröße für ein Aquarium liegt bei einer Kantenlänge von 30 bis 40cm bei quadratischen oder rechteckigen Aquarien.

Bevor ich jetzt mit meinen Kommentaren zu dieser Studie anfange, möchte ich betonen, dass ich Studien zu unseren Zierfischen generell gut finde und die Erkenntnisse sehr wichtig sind.
Trotzdem möchte ich hier einige Anmerkungen loswerden. Als Erstes:

Danke schön. Sehr interessante Studie.

Methodik

Nach dem ich als Feedback zu diesem Artikel einige andere Meinungen zu der Studie erhalten habe, habe ich den Artikel noch einmal überarbeitet. U.a. ist dieser Punkt dazu gekommen. Ich bin kein Naturwissenschaftler und bin daher nur bedingt geeignet die Methodik zu beurteilen und daher ist dieser Artikel nur meine Meinung als Aquarianer. Ob also die Methode mit reinen Bewegungsprofilen geeignet ist, um die Fragestellung der Studie zu beantworten, ist von mir nicht zu beantworten.

Bewegung

Die untersuchten Fische waren allesamt Schleierformen. Rückschlüsse auf die Naturform oder andere Zuchtformen sind somit erstmal nicht gegeben. Hier wären weitere Versuche sicher interessant.
Auffällig ist die hohe Aufenthaltsdauer in Bodennähe obwohl in der Natur eher das Stehen unter der Wasseroberfläche beschrieben wurde. Auch hier wäre es interessant andere Varianten mit der gleichen Methodik zu untersuchen. Für mich deutet der häufige Aufenthalt am Boden auf eingeschränkte Schwimmfähigkeiten hin, was dann in Richtung “Qualzucht” zeigt. Das ist nur eine Hypothese, die für weitere Versuche als Ansatz dienen könnte.

Vergesellschaftung

Das diese Zuchtformen nicht mit anderen Fischen gemeinsam gehalten werden sollten, vor allem in kleinen Becken, ist ja bereits gängige Meinung in der Aquaristik. Auch ich sehe das genauso.
Das die Studie allerdings generell die Haltung mit wirbellosen Arten (Garnelen, Schnecken) als möglich und empfehlenswert bezeichnet, halte ich für eine kleine Unaufmerksamkeit in dieser Studie. Es wurden nur Rennschnecken (Neritina sp.)und Amanogarnelen (Caridina multidentata) mit den Kampffischen betrachtet.
Gerade bei den Garnelen gibt es aber viel mehr Arten in der Aquaristik die teilweise deutlich kleiner bleiben. Von Großarmgarnelen möchte ich da gar nicht erst reden.

In der Aquaristik besteht seit langem weitesgehend die Ansicht, dass diese Zuchtformen mit Amanos und Schnecken gut harmonieren. Mit kleineren Garnelenarten kann es aber vereinzelt auch mit dem Ende der Garnelen enden.
Das Großarmgarnelen mit Fischen die sich gern am Boden aufhalten oft keine gute Kombination sind, erschließt sich wohl von selbst. Daher hätte ich mir hier eine weniger pauschale Aussage gewünscht.

Minimale Aquariengröße

Das Ergebnis der Studie für die Schleierformen bei der Aquariengröße ist interessant und für mich nachvollziehbar. Auch das noch kleinere Aquarien nicht optimal sind. Für kurzflossige Zuchtformen und Wildformen fehlen mir noch Erkenntnisse. Hier sehe ich eher etwas größere Aquarien, abhängig von der Zuchtform.

Diejenigen die das Ganze aus rechtlicher Sicht betrachten wollen, z.B. Händler denen Verkaufsanlagen für Kampffische vom Amtstierarzt bisher verboten wurden – aufgrund der 54-Liter-Regel aus dem Gutachten über die Mindestanforderungen von Zierfischen, erhalten mit dieser Studie einen Ansatz zu abweichender Haltung. Rechtlich herangezogen wird wahrscheinlich nach wie vor das Gutachten des Ministeriums. Da dieses aber “nur” ein Gutachten ist, könnte man mit dieser Studie eine abweichende Haltung wissenschaftlich begründen. Ob der Amtstierarzt (oder im Zweifel ein Richter) der Argumentation folgt, bleibt dann aber abzuwarten.

Rechtlich gesehen, ist das Gutachten zu den Mindestanforderungen weiterhin die relevante Grundlage. Auch wenn dies immer wieder angezweifelt wird, bleibt hier der Status “quasi Gesetzescharakter” bestehen. Nach diesem Gutachten wäre auch für einen einzelnen Kampffisch eine Haltung in Aquarien unter 54 Liter verboten. Dies wird auch weiter spezifiziert in der Checkliste der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz, die als maßgebliche Grundlage für die Amtstierärzte gültig ist. Diese Liste ist ebenfalls Bestandteil der notwendigen Sachkundeprüfung nach §11 Tierschutzgesetz für alle die mit Tieren handeln.
In Punkt 1.2 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine dauerhafte Haltung von Betta Splendens u.ä. nicht unter 54 Liter erlaubt ist und die Verkäufer bei entsprechenden Käufen darauf hinweisen müssen.

Abschlusswort

Jeder muss selbst entscheiden, wie die eigenen Tiere gehalten werden. Es ist und bleibt in erster Linie die Verantwortung der Halter, da es im privaten Rahmen ja kaum zu kontrollieren ist. Man sollte nur bedenken, dass es immer um Lebewesen geht. Es sollte dabei nicht hauptsächlich darum gehen, die rechtlichen Grundlagen einzuhalten, sondern wie kann ich dem Tier ein gutes Zuhause bieten und so ein langes und hoffentlich zufriedenes Leben ermöglichen. Rechtlich ist nach derzeitigem Stand 54Liter verpflichtend für die dauerhafte Haltung. Daran ändert auch diese Studie erstmal nichts.

Bei der Festlegung der Beckengröße sollten daher auch viele weitere Faktoren kalkuliert werden. Kann (oder möchte) ich wöchentliche, oder sogar mehrmals die Woche, Wasserwechsel durchführen? Habe ich genügend Erfahrung, um ein so kleines Aquarium dauerhaft stabil zu halten? Habe ich mich überhaupt schon genügend informiert um Kampffisch-Hochzuchten in Betracht zu ziehen?

In den meisten Fällen ist es sicher sinnvoll, entweder keinen Kampffisch anzuschaffen, oder nicht das kleinstmögliche Becken zu wählen. Information vor der Anschaffung ist daher das A und O. Kampffisch ist nicht gleich Kampffisch.

Abschließend noch ein Link zu einem Artikel von Otto Rötter zu dem Thema im weiteren Sinne:

Externer Link: Dokumentation eines Fehlers