Mindestanforderung an die Haltung von Zierfischen
Wohl das häufigste Thema über das man in der Aquaristik stolpert, ist die Frage ob eine Art Fisch ab welcher Aquariengröße oder Literzahl gehalten werden darf.
Dabei ist diese Frage durch eine einfache Suche im Internet schnell zu beantworten:
Externer Link: Mindestanforderungen des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft in Tabellenform
Warum ausgerechnet dieses Ministerium dafür verantwortlich ist, kann ich auch nicht beantworten. Fakt ist, dass dort die Grundlagen für die Tierhaltung festgehalten sind. Aus dem Gutachten daher folgendes Zitat:
“Je größer das Wasservolumen eines Aquariums ist, desto stabiler ist die Wasserqualität, daher sollte das Aquarienvolumen für die dauerhafte Haltung 60 Liter nicht unterschreiten. 54 Liter Aquariumvolumen sind als Mindestmaß für die dauerhafte Haltung anzusehen.”
Externer Link: Gutachten “Haltung von Zierfischen (Süßwasser)”
Das bedeutet, dass jeder, der egal welchen Fisch in sogenannten Nanoaquarien (unter 54 Liter Inhalt) hält, gegen das Tierwohl im Sinne dieses Gutachten verstößt. Zur Rechtsverbindlichkeit steht auf der Seite des Ministeriums folgendes:
“Die Gutachten und Leitlinien sind zwar nicht rechtsverbindlich, sie unterstützen aber Tierhalter, zuständige Behörden und Gerichte bei der Entscheidung, ob eine Tierhaltung den Vorschriften des Gesetzes entspricht.”
Externer Link: BMEL – Tierschutz – Tierschutzgutachten/ Tierschutzleitlinien
Das wiederum bedeutet, dass im Zweifelsfall sich die Gerichte an dieses Gutachten halten und entsprechend abweichende Haltungen schwierig zu begründen sind. Man nennt sowas gern “quasi Gesetzescharakter”. Das bedeutet, dass man durchaus anders halten darf, man abweichende Haltungen aber rechtssicher begründen können muss. Das dürfte in den meisten Fällen kaum zu machen sein.
Trotz dessen liest man immer wieder, dass dies nur eine Empfehlung ist und keinerlei Verbindlichkeit hat, meist von Haltern von Fischen in Nano-Aquarien. Theoretisch ist diese Aussage tatsächlich richtig. Das ist aber ein schönes Beispiel für den Unterschied von Theorie und Praxis. In der Theorie ist dieses Gutachten nicht rechtsverbindlich. In der Praxis halten sich sowohl Amtstierärzte, als auch Richter an solche Gutachten, sofern keine eindeutigen Gesetze oder Verordnungen anders lauten. Dabei muss man berücksichtigen, dass ein Richter in den meisten Fällen keine Ahnung von der fachlichen Thematik hat, über die er entscheiden muss. Daher verlassen sie sich auf entsprechende Gutachten. Im Falle der Aquaristik also auf das oben verlinkte Schriftstück.
Daher sind diese Haltungsanforderungen als Mindestanforderungen für jeden Aquarianer erst einmal verbindlich. Das gilt auch für Kampffischmännchen, die oft in winzigsten Aquarien ihr Leben fristen. Die Aussage: “unterstützen aber Tierhalter, … bei der Entscheidung, ob eine Tierhaltung den Vorschriften des Gesetzes entspricht”; sagt damit eigentlich klar aus, dass nach unten abweichende Haltungen nicht dem Gesetz entsprechen.
Minimale Kantenlänge
Zusätzlich zu dem minimalen Bruttovolumen wird in sozialen Medien immer wieder behauptet, dass eine minimale Beckenbreite von 60cm Pflicht wäre. Als Rechtsgrundlage wird dabei auch immer auf das Gutachten verwiesen. Dabei handelt es sich jedoch um eine falsche Interpretation. Im Gutachten wird als Beispiel auf die Maße handelsüblicher Aquarien verwiesen und als minimale Abmessungen werden 60x30x30cm genannt. Das Ganze wird dann noch zur besseren Lesbarkeit auf das erste Maß reduziert. Das setzen viele Menschen mit der Kantenlänge gleich. Im Gutachten selbst steht allerdings ausdrücklich, dass die Kantenlänge aus allen drei Maßen besteht.
“Die Angaben beziehen sich auf die Kantenlänge handelsüblicher Aquariengrößen (Länge x Breite x Höhe)”
Externer Link: Gutachten “Haltung von Zierfischen (Süßwasser)”
Das bedeutet, dass wenn ein Maß unterschritten wird, muss das mit einem der anderen Maße ausgeglichen werden. Dies darf aber nicht zu extrem ausfallen, denn im Gutachten steht auch, dass die Maße nicht wesentlich unterschritten werden dürfen. Was dabei wesentlich ist ist aber nicht festgelegt. Im Zweifel entscheidet dass dann die zuständige Behörde mit dem Amtstierarzt.
Nicht bemängelt werden in der Regel Aquarien die bei der Grundfläche ähnlich ausfallen wie das Standard-54Liter-Aquarium, also 1800cm2. Beispiele hierfür sind z.B. der Dennerle Scaperstank, 70L mit 50x36cm Grundfläche oder auch Würfel mit 50cm Kantenlänge. Gerade die Würfel sind ein gutes Beispiel: Sie wären nach der Sichtweise mancher Facebookberater für Fische nicht geeignet, da sie keine Breite von 60cm haben. Diese Würfel haben aber mit 125 Liter mehr als das doppelte Volumen eine “erlaubten” 60x30cm Becken und auch die Grundfläche ist mit 2500cm² fast 40% größer als das 54 Liter Becken. Ich glaube, dass dieser Vergleich deutlich die Unlogik einer 60cm-regel zeigt.
Aquariengrößen
Mittlerweile gibt es durch die Merkblätter des TVT tatsächlich eine rechtliche Möglichkeit abweichende Haltungen begründen zu können. Dafür ist aber eine entsprechende Erfahrung und Sachkunde notwendig. Das bedeutet, dass prüfende Amtstierärzte meist eine entsprechende Sachkunde nachgewiesen haben möchten. Ist diese Sachkunde nicht nachweisbar wird dann gern die Auflage zum Ablegen der Sachkunde erteilt. Wer also eine Sachkunde nach §2 Tierschutzgesetz vorweisen kann, kann geeignete Fische durchaus in kleineren Behältnissen halten. Wer also einen Kampffisch in kleinen Aquarien halten möchte, sollte zumindest die Sachkunde nach §2 Tierschutzgesetz nachweisen können.
Das diese Liste tatsächlich nur sehr grob eine Einschätzung abgibt, kann man an den Bereichen sehen, in denen die einzelnen Arten gehalten werden dürfen, nur sehr allgemeine Einteilungen angibt. Im Gutachten sind allerdings klare weitere Angaben verfasst. Z.B. Versteck- und Deckungsmöglichkeiten gehören zu den Mindestausstattungen. Auch Zucht- oder Verkaufsaquarien müssen dies bieten, da dort kein Passus zur dauerhaften Haltung steht.
Bei der Zucht, Ausstellungen und Verkauf dürfen aber zeitweise auch kleinere Aquarien verwendet werden. In der Liste sind auch Hinweise zum Sozialverhalten gemacht. Das bezieht sich in erster Linie auf die Anzahl der Tiere die pro Aquarium und Art gehalten werden sollen. Schwarm bedeutet mindestens 10 Tiere, gesellig min. 5, Harem (ist das eigentlich noch ein zeitgemäßer Begriff?) ein Männchen mehrere Weibchen, Paar natürlich Paarhaltung und Einzelgänger erklärt sich auch von selbst.
Mal einige Beispiele aus der Liste (Stand: 30.12.1998):
- Betta splendens (Kampffisch): 60cm (54 Liter) Haltung zwischen 24 und 30°C
- Hyphessobrycon erythrostigma (Kirschflecksalmler): 80cm (112 Liter)
- Botia macracanthus (Prachtschmerle): 150cm (375 Liter), gesellig
Anhand der Liste kann man auch für dort nicht aufgeführte Fische die entsprechenden Mindestgrößen abschätzen.
Meiner Meinung nach ist bei den Prachtschmerlen (wissenschaftlich heute: Chrombotia macracanthus) das Gutachten zu lasch. 5 Tiere mit um die 30cm sind bei 375 Litern nicht gut aufgehoben. Meiner Ansicht nach ist es ein sehr geselliger (eher mindestens 10 Tiere) und schwimmfreudiger Gruppenfisch und nur für sehr große Aquarien ab 1000 Liter geeignet. Aber meine Meinung ist natürlich rechtlich völlig irrelevant.
Allgemein möchte ich aber sagen, dass ich diese Mindestanforderungen in den meisten Fällen ähnlich sehe. Oft würde ich die Mindestgröße sogar höher ansetzen.
Fazit
Nach meiner Meinung sollten Empfehlungen nie unter 54 Liter genannt werden, da man in der Regel davon ausgehen kann, dass derjenige der fragt nicht über die erforderliche Sachkunde verfügt. Vor allem sollte man bei Empfehlungen an Einsteiger eher großzügig denken und nicht als ob man erfahrene Züchter vor sich hat.
Immer wieder kann man im Internet lesen, dass kleinste Fischarten für Miniaquarien empfohlen werden. Nach meinen Erfahrungen handelt es sich dabei oft um kleine Bärblinge, die gesellig und schwimmfreudig sind, für die solch kleine Becken mir zu klein sind. Auch Kampffische in dauerhafter Haltung, sehe ich maximal als Paar (nicht im Harem, hier weiche ich von dem Gutachten ab) in mindestens 54 Litern. Und auch die Paarhaltung kann bei schlechter Beckenstruktur schief gehen. Für Zuchtprojekte, Quarantäne usw. können kleinere Aquarien natürlich sinnvoll sein. Aber auch hier nur, wenn die notwendigen Kenntnisse vorhanden sind.
Auch bei Zwerggarnelen empfehle ich mindestens 30 Liter für die dauerhafte Haltung. Hier gibt es meines Wissens derzeit keine “offiziellen” Richtlinien.
Generell sollte man bei der Aquariengröße eher groß denken. Je größer die Becken, desto einfacher ist es eine vernünftige Biologie im Becken zu etablieren. Gerade Einsteigern würde ich nicht zu den üblichen Einsteigersets mit 54 Liter raten, sondern eher ab 112 Liter aufwärts.