Wissenschaftliche Namen

Erstveröffentlichung 2006 in Heft 4

Artikel überarbeitet und erweitert im Februar 2023

Im Gegensatz zu Trivialnamen unterliegen wissenschaftlichen Namen gewissen Regularien. Theoretisch könnte jeder Mensch eine Katze als Hund bezeichnen und verkaufen. Natürlich würde da nur wohl jeder stutzig werden. Bei unseren Aquarienbewohnern sieht die Sache schon ganz anders aus. Daher wird in der Aquaristik häufig mit den wissenschaftlichen Namen gearbeitet.

Leider wird aber auch dort immer wieder unkorrekt oder vielleicht auch mal bewusst falsch gehandelt. Immer wieder tauchen z.B. Apistogramma macmasteri im Hobby auf, die unter dem Namen Apistogramma viejita verkauft wurden. Da der Viejita deutlich seltener gehandelt wird, ist solch ein Angebot natürlich interessanter für viele Käufer und eventuell auch teurer zu verkaufen.

Um es gänzlich kompliziert zu machen, unterliegen auch wissenschaftliche Namen einem ständigen Wandel. Immer wieder werden bestimmte Arten neu zugeordnet. Als Beispiel sei hier die beliebte Red Fire Garnele genannt. Bis 2005 wurden die Garnelen als Neocaridina denticulata sinensis bezeichnet. Ca. 2006 wurden sie dann als Neocaridina heteropoda zugeordnet und heute als Neocaridina davidi.

Fast niemand im Handel und nur die wenigsten Aquarianer sind in der Lage solche Einordnungen zu überprüfen. Daher wäre es wünschenswert wenn die Bezeichnungen im Handel zumindest korrekt verwendet würden.

Arteneinteilung

Jedes Tier wird in einem hierarchischem System einer Art zugeordnet. Neu entdeckte Tiere (= unbekannte Art) werden darin mittels einer detaillierten Beschreibung an passender Stelle als eigenständige Art eingebunden.

Die Einteilung sieht dabei verschiedene Abstufungen vor.

Als oberstes steht das Reich, in unserem Fall Tiere oder halt Tierreich. Darunter wird dann in  jeder Stufe in meist mehrere Bereiche unterteilt. Ich liste jetzt die weiteren Stufen einfach auf. Der Begriff in Klammern bezieht sich immer auf die Art Caridina serrata, die hier als Beispiel dient:

  • Unterreich ( Vielzeller )
  • Abteilung ( Gewebetiere)
  • Unterabteilung ( Bilateria )
  • Stammgruppe ( Urmünder )
  • Überstamm ( Häutungstiere )
  • Stamm ( Gliederfüsser )
  • Unterstamm ( Krebstiere )
  • Klasse ( Höhere Krebse )
  • Ordnung ( Eucarida )
  • Unterordnung ( Dekapoden )
  • Familie ( Pleocyemata )
  • Unterfamilie ( Caridea )
  • Gattung ( Caridina )
  • Art ( serrata )

Alle Lebewesen werden nach diesem System eingeordnet und mit einem binominalen Namen bezeichnet. Der erste Name gibt dabei die Gattung und der Zweite in Verbindung mit dem Ersten die Art. Der Gattungsname wird in dieser Form immer groß geschrieben, während der Artname klein geschrieben wird. Oft wird hier auch vom lateinischen Namen geschrieben. Das ist nicht 100%ig korrekt. Die Bezeichnungen sind vom Beschreiber frei wählbar, werden dann aber lateinisiert. Im Grunde wird die lateinische Grammatik übergestülpt.

Hier zur Verdeutlichung ein Beispiel:

Cherax wagenknechtae bezeichnet als Gesamtes die Art, wobei Cherax die Gattung ist. Einer Gattung können dabei mehrere Arten angehören. Ebenso zur Gattung Cherax gehört z.B. die Art Cherax holthuisi. Benannt wurde hierbei der erste Krebs nach Sahra Wagenknecht, einer deutschen Politikerin, und der zweite Krebs nach dem niederländischen Crustaceologen Lipke Bijdeley Holthuis.

Bei der Artbestimmung kommt es aber immer wieder zu unterschiedlichen Meinungen bezüglich der Einteilung unter den Wissenschaftlern. Daraus resultieren dann unterschiedliche Bezeichnungen für die selben Tiere. Meist wird so etwas später von anderen Wissenschaftlern aufgearbeitet.

Artendefinition

Es gibt  keine allgemeingültige Definition was eine Art abgrenzt. Normalerweise ist eine Art im biologischen Sinn eine Gemeinschaft aller Individuen die eine Fortpflanzungsgemeinschaft bilden.

Dieser Ansatz ist aber nicht  optimal, da nicht immer klare Abgrenzungen gefunden werden können. Es gibt z.B. Lebensformen die gar keine Fortpflanzungsgemeinschaft im herkömmlichen Sinn haben, z.B. eingeschlechtliche Vermehrungstypen wie der Marmorkrebs.

Meist wird die Art daher über die Morphologie ( Lehre der Gestalt ) abgegrenzt. Die Färbung der Tiere spielt dabei in der Regel keine Rolle. So gehören die Bienengarnele und die Crystal Red der gleichen Art (Caridina logemanni) an, obwohl die äußere Färbung deutlich voneinander abweicht.

Da aber einige Züchter durch Einkreuzen anderer Arten versuchen größere Weißanteile zu erreichen, können durchaus auch Hybriden, also Kreuzungen auf dem Markt sein. Gerade in der Aquaristik kommt diese Zuchtmethode häufig zum Einsatz um neue Formen hervorzubringen. Neue Formen lassen sich sehr häufig sehr gut vermarkten. Nicht immer ist dies positiv. Manchmal kommen dabei Formen heraus, die nicht mehr natürlich lebensfähig wären, z.B. Fische die so lange Flossen haben, dass sie kaum noch richtig schwimmen können. Kreuzungen entstehen also aus zwei Arten und sind somit nicht mehr identisch mit einer der beiden vorherigen Arten. Somit wäre hier maximal der Gattungsname mit einem Sp. Für species und die Zuchtbezeichnung in Anführungsstrichen dahinter, also z.B. Caridina sp. „Blue Bolt“.

Oft werden auch morphologisch gleiche oder sehr ähnliche Tiere als unterschiedliche Arten beschrieben, weil sie an unterschiedlichen Fundorten vorkommen. Ob es sich dann wirklich um zwei unterschiedliche Arten handelt, oder nicht, ist eine reine Definitionsfrage.

Man sieht, auch die wissenschaftliche Artendefinition lässt noch viele Spielräume offen. Je nach dem wie der Wissenschaftler den Focus setzt, können die Arten einer Gattung unterschiedlich zusammengefasst werden.

Wissenschaftlich korrekt ist eine Artbezeichnung übrigens oft nur, wenn auch der Name des Erstbeschreibers und das Jahr in dem diese gemacht wurde, dabei geschrieben werden. Stehen der Name und das Jahr in Klammern ist die Gattungszuordnung bei einer späteren Revision neu zugeordnet worden. In wissenschaftlichen Publikationen wird der Gattung und Art kursiv geschrieben. Ich lasse beides gern mal weg, da ich auf dieser Seite bisher nicht den Anspruch hatte, wissenschaftlich zu arbeiten. In erster Linie soll es einfach und verständlich bleiben.

Wissenschaftlich korrekt wäre somit die Bezeichnung Cherax wagenknechtae Lukhaup & Eprilurahman, 2022

Bezeichnungen

Bei den wissenschaftlichen Namen werden einige Bezeichnungen verwendet, die bei wissenschaftlichen Laien am Anfang immer wieder für Verwirrung sorgen. Es werden zum Beispiel gern die Abkürzungen sp. oder cf. Verwendet. Auch wird bei manchen Arten der Artenname nicht mit zwei, sondern mit drei Teilen benannt.

Ein Beispiel ist hierbei die Krebsart Procambarus cubensis cubensis. Der dritte Teil des Namens ist die Bezeichnung der Unterart.

Unterart

Eine Unterart wird in der Regel dann verwendet, wenn sich eine Gruppe eindeutig gegen andere Gruppen abgrenzt, aber andererseits untereinander paarungsfähig sind. Auch das wird aber bei Erstbeschreibungen oft nicht berücksichtigt, so dass manche Arten sich trotzdem kreuzen können obwohl sie als eigenständige Art beschrieben wurden. Hier würde ich als Beispiel Neocaridina davidi und Neocaridina palmata anführen, oder auch Caridina logemanni und Caridina mariae.

sp.

Fangen wir mir der wohl am häufigsten zu findenden Abkürzung an – sp. oder spec. Beide werden oft verwendet und bedeuten dasselbe. Es ist die Abkürzung für species und bedeutet, dass das Tier zwar einer Gattung zugeordnet wurde, aber keiner konkreten Art zugeordnet werden konnte. Das kann mehrere Gründe haben, wie z.B. Unsicherheiten bei der Bestimmung oder auch eine bisher unbekannte Art. Manchmal ist auch nur der Fundort nicht bekannt. Für eine anerkannte Erstbeschreibung ist der Fundort notwendig.

cf.

Die Abkürzung cf. steht für das lateinische Wort confer. Übersetzt bedeutet es Vergleich. Die Abkürzung bedeutet daher ähnlich oder vergleichbar. Derjenige der die Bestimmung durchgeführt hat, konnte die Art nicht eindeutig bestimmen.

Aufgrund der morphologischen Hinweise ist die Art aber zumindest sehr ähnlich zu der wissenschaftlich beschriebenen Art. Es könnte sich in dem Fall also durchaus um die  genannte Art handeln oder auch um eine nahe verwandte Art.

var.

Dies steht für eine Variante. Meist handelt es sich dabei um Mutationsform einer Art, also um Tiere die sich optisch durch Form oder Farbe von der Nominatform unterscheiden, aber natürlich der gleichen Art angehören. Ein gutes Beispiel ist mit Sicherheit die Red Fire Garnele, welche ja als Neocaridina davidi var. Red geführt wird.

Als Artenname wäre nur Neocaridina davidi richtig, da es trotz des roten Äußeren die gleiche Art wie die Algengarnele ist. Die Bezeichnung var. red bezeichnet damit nur die rote Zuchtform.

Fazit

Die Taxonomie, Systematik und vor allem ihre Schlussfolgerungen hängen immer auch ein Stück weit vom Standpunkt des bearbeitenden Wissenschaftlers ab. Daher sind die Zuordnungen auch permanent in Bewegung. Immer wieder gibt es Neuzuordnungen und gerade im Wirbellosenbereich zahlreiche neue Erstbeschreibungen. Das hier in den letzten 20 Jahren viel passiert ist, ist auch ein Verdienst der Aquaristik.

Lustiges zum Abschluss

Das Wissenschaftler ihre Arbeit nicht immer Bierernst nehmen, kann man an einigen der vergebenen Namen erkennen. Vielleicht fiel manchen aber auch nichts Besseres ein.

Der Gattungsname Aa ist zumindest kurz. Im Deutschen kann das auch missverständlich sein. Auch Zyzzyx, ein Gattungsname von Grabwespen deutet auf einen völlig aus der Luft gegriffenen Begriff hin. Bei den Grabwespen gibt es auch die Art Aha ha. Das zeigt, das Forscher wohl auch gern Palindrome verwenden. Der Name lässt sich dann sowohl vorwärts als auch rückwärts lesen. Der Rosalöffler, Ajaja ajaja, und der Blatthornkäfer, Orizabus subaziro, sind da weitere Beispiele.

Die Benennung nach Prominenten ist relativ häufig. Bufonaria borisbeckeri ist eine Meeresschnecke. Schön ist auch die Bezeichnung des Zwerggeißelsskorpions, Draculoides bramstokeri.