Positivliste Heimtiere

Bei diesem Artikel handelt es sich um meinen Kommentar zu dem Thema und den entsprechenden Gutachten. Daher kennzeichne ich den gesamten Artikel als Meinung bzw. Kommentar.

Schon lange fordern Tierschutzorganisationen eine Positivliste für Heimtiere. Das würde bedeuten, dass die Heimtierhaltung erstmal komplett verboten wäre und nur Tierarten, die auf dieser Positivliste stehen als Ausnahme gelten würden.

Das würde mit Sicherheit eine enorme Einschränkung der Heimtierhaltung bedeuten. Neben der Terraristik wäre wohl vor allem die Aquaristik mit den vielen Arten von diesem Verbot betroffen.

Im Oktober 2022 veröffentlichten die Organisationen AAP, Deutscher Tierschutzbund, HSI Europe, IFAW Deutschland, Pro Wildlife und VIER PFOTEN ein entsprechendes Gutachten der Rechtsanwältin Dr. Cornelia Ziehm aus August 2022, dass die Rechtliche Zulässigkeit und die Gebotenheit einer Positivliste unterstützt. Im Januar 2023 äußerte sich der Grünen-Politiker Cem Özdemir öffentlich dazu und forderte ebenso die Positivliste.

Der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V. veröffentlichte im Juni 2023 dann ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Dr. Tade Matthias Spranger, dass im Ergebnis zeigt, dass eine Positivliste “umfassend gegen verschiedene Vorgaben des Völker-, Europa- und Verfassungsrechts verstoßen” würde.

Betrachten wir aber die entsprechenden Punkte einzeln:

Gutachten Ziehm

Frau Dr. Ziehm ist eine namhafte Anwältin mit engen Verbindungen zur Politik und war u.a. auch zumindest 75 Tage lang als Staatsrätin (parteilos) in Bremen tätig. Durchaus also jemand, der genügend fachliche Kenntnisse aufweisen dürfte. Allerdings scheint die notwendige Objektivität anhand ihrer Vita zumindest anzweifelbar zu sein. Aber das ist wohl meistens so, dass man einen Gutachter wählt, der der eigenen Zielsetzung positiv gegenüber steht.

Bereits im Sachverhalt des Gutachtens findet sich folgender Abschnitt:

Die meisten (potenziellen) „Heimtierhalter“ wissen zudem nichts oder nur
(zu) wenig über die natürlichen Lebensbedingungen dieser Tiere, über
ihre sozialen Strukturen, den Tag- und Nachtrhythmus, die
Futterbedürfnisse und -gewohnheiten, Ruhe- und Bewegungsbedürfnisse
usw.

Diese Aussage würde ich mal rein spekulativ (Ja ich habe Anwaltsserien gesehen) nennen und nicht belegbar. Dass sie damit den Großteil der Tierhalter in Deutschland als Gesetzesbrecher bezeichnet ist wohl nicht beabsichtigt. Denn nach dem Tierschutzgesetz muss jeder Tierhalter über die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen. Dass dies nicht in allen Fällen so ist, ist allerdings kein Argument. Die rechtliche Grundlage ist da und müsste nur konsequent verfolgt werden.

In diesem Sinne geht es weiter:

“Die frühe Sterblichkeit von Wildtieren, die als „Heimtiere“ gehalten
werden, ist überaus hoch. Zwar existieren, so weit ersichtlich, keine
systematischen staatlichen Erhebungen, doch stellt beispielsweise die
British Captive Animals’ Protection Society fest, dass 26 Prozent der
„Heimtierschildkröten“ innerhalb des ersten Jahres und 92 Prozent
innerhalb von vier Jahren sterben – unter natürlichen Bedingungen
können Schildkröten bekanntermaßen sehr alt werden.”

Auch hier handelt es sich für mich um nicht belegbare Aussagen. Das viele Tiere in Gefangenschaft deutlich älter werden als in der Natur, ist genauso wenig ein Argument für die Haltung, wie das Gegenteil dagegen. Auch hier verweise ich wieder auf die gesetzlich notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten.

Das gesamte Gutachten hier Satz für Satz zu bewerten würde sicher zu weit führen, aber viele der Aussagen sind für mich zu allgemein, unbelegt und übertrieben. Vor allem, dass bestehende Gesetze nicht ausreichend wirksam sind um den illegalen Tierhandel zu unterbinden ist für mich eine Aussage, die das gesamte Gutachten diskreditiert. Denn, wenn der Tierhandel bereits illegal ist, was soll ein weiteres Verbot bringen? Auch weitere Argumente für eine Positivliste, wie das illegale Aussetzen, setzen ja bereits voraus, dass gegen geltendes Recht verstoßen wird. Positive Aspekte der Heimtierhaltung, wie Unterstützung bei psychischen Leiden oder den Schutz der Umwelt in den Fanggebieten werden nicht betrachtet.

Wäre es da nicht sinnvoller die Umsetzung und Kontrolle bestehender Gesetze zu verbessern, als weitere Verbote zu generieren, die dann auch nicht eingehalten werden?

Aussage Özdemir

Es geht hier um die folgenden Aussagen von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen)

„Warum braucht jemand etwa anspruchsvoll zu haltende, exotische Tiere wie Schlangen oder ein Chamäleon zu Hause? Das habe ich nie verstanden“
„Manche Menschen legen sich Tiere zu, die aus meiner Sicht in privaten Haushalten nichts zu suchen haben“

Dazu möchte er sich auf EU-Ebene für eine Positivliste einsetzen.

Das Herr Özdemir eine eigene Meinung hat ist erfreulich und dass er etwas nicht versteht ist keine Schande. Aber weil man etwas nicht versteht, es verbieten zu wollen, ist schon etwas weit hergeholt. Nicht alles was man nicht versteht, ist unverständlich. Sonst wäre wohl Goethes Faust, Rapmusik und die Quantenmechanik auch schon lange verboten.
Die Frage, die sich Herr Özdemir auch stellen sollte, ist ob er nicht gewählt wurde um den Willen der Wähler zu vertreten und ob die Mehrheit seiner Wähler für eine Positivliste ist oder ob es bei seinem Mandat um die Umsetzung seiner Ansichten geht.
Das solche Reglementierungsversuche einen Teil der eigenen Wähler zu geändertem Wahlverhalten treibt, sollte den Grünen doch schon hinreichend bekannt sein. Andere Parteien werden deren Stimmen gern übernehmen.

Gutachten Spranger

Auch Tade Matthias Spranger ist genau wie Frau Ziehm ein angesehener Jurist und seine fachliche Reputation steht außer Frage.

Das Gutachten ist deutlich umfangreicher, aber Quantität ersetzt sicher nicht Qualität. In meinen Augen erscheint das Gutachten aber durchaus professioneller. Vor allem wird hier nicht das Ergebnis am Anfang präsentiert und dann begründet.

Die Interpretation der Gesetzeslage ist auch in diesem Gutachten die Ansicht des Erstellers. Für mich in weiten Teilen durchaus nachvollziehbar, aber erst ein Gericht würde entscheiden, welche der Interpretationen in Bezug auf die Rechtschaffenheit einer Positivliste Recht hat.

Dem Ersteller ist das Gutachten von Frau Ziehm natürlich bekannt und er bezieht sich mehrfach auf Aussagen aus diesem Gutachten. Die auch von mir bemerkten Kritikpunkte werden neben vielen weiteren aufgeführt und ähnlich bewertet. Natürlich deutlich ausführlicher und juristisch eindeutiger formuliert. Im Gesamten ist dieses Gutachten auch für Laien nachvollziehbar und ich bewerte es als logisch und belastbar. Auch das Argument der Positivliste in Belgien wird behandelt und als Argument für die Rechtmäßigkeit einer allgemeinen Positivliste entkräftet.

Positivlisten in der EU

Die oft zitierte Positivliste in Belgien ist gar keine allgemeine Positivliste wie sie derzeit in Deutschland gefordert wird. Diese Liste umfasst nur Säugetiere und seit 2019 auch Reptilien. Dagegen sind Zierfische, Wirbellose und Vögel dort gar nicht zu finden. Das der Polarfuchs dort auf der Positivliste für Heimtiere steht verwundert dann allerdings wieder, aber Bison, Wasserbüffel, Rothirsch, Maultier und Co auf einer Positiv-Heimtierliste sind dann schon fast skurril zu nennen. Auch für Reptilien ist die Liste sehr umfangreich. In der Praxis bemerkt man in Belgien kaum etwas von dieser Liste. Das Angebot auf Börsen ist nach wie vor sehr umfangreich.

In Norwegen wurde eine Positivliste für Reptilien eingeführt und bereits 2017 wieder aufgehoben, nachdem eine Studie gezeigt hatte, dass es nur die illegale Haltung gefördert hatte.

Auch in den Niederlande gibt es eine Positivliste, auch hier nur für Säugetiere und somit keine für alle Heimtiere. Sie wurde 2015 eingesetzt und bereits kurz darauf wieder per Gerichtsbeschluss für ungültig erklärt. 2022 folgte jetzt der neue Anlauf, der ab dem 1.1.2024 gelten soll. Es bleibt abzuwarten für wie lange.

Fazit

Für mich ist eine Positivliste kein Ansatz für besseren Tierschutz. Die bestehenden Regelungen sind ausreichend. Es fehlt nur an stringenter Umsetzung und Verfolgung. Eine Positivliste würde wohl nur bewirken, dass noch mehr Tiere illegal verkauft und gehalten werden. Wenn das bereits jetzt stattfindet und ungestraft bleibt, warum sollte es im größeren Maßstab anders sein? Es wäre nur noch schwieriger den Tierschutz umzusetzen. Ich vermute, dass die Auswirkungen an häufigeren Aussetzungen von unerwünschten Bewohnern zu merken wäre. Legal wird man die Tiere dann ja nicht abgeben können.

Um es klar zu sagen, nicht jeder sollte Tiere halten. Das ändert man aber nicht mit einer Positivliste. Die die jetzt schon Tiere falsch halten, halten dann entweder illegal Tiere oder halt andere falsch. Man ändert also nicht die Anzahl der leidenden Tiere, sondern nur die Arten. Die Lösung ist schon klar im Gesetz formuliert und auch in diesem Artikel schon erwähnt worden. Tierhaltung erfordert Sachkunde – die muss nur verpflichtend gemacht werden. Damit hätte man nicht nur ein weiteres Gesetz geschaffen, sondern man hätte viele Unterstützer unter den Tierhaltern gewonnen. Verantwortungsvolle Tierhalter befürworten meist eine Sachkunde.

Ich finde es allerdings wichtig zu bedenken, wen man wie unterstützt. Als Heimtierhalter wird man regelmäßig zu Spenden an Tierschutzorganisationen aufgerufen. Wenn diese Organisationen jedoch meine Tierhaltung verbieten wollen, wäre eine Spende sicher nicht in meinem Interesse. Daher werde ich zukünftig genau überlegen welche Organisationen ich unterstütze.

Generell wird aus der Politik immer nach neuen Gesetzen gerufen. Da die Politik sich selbst rechtfertigen muss, auch irgendwo logisch. Vielleicht wäre es aber sinniger mehr gegen Korruption zu unternehmen und das so eingesparte Geld für die Umsetzung und Kontrolle der bestehenden Gesetze, kostenlosen Nahverkehr, Digitalisierung und Schulbildung zu investieren. Aber das ist wohl Wunschdenken.

Quellen (Externe Links):