Vererbung von Farben
Ein Ansatz zur Vererbung von Farben bei unseren Garnelen und der Versuch der Erklärung der Ungereimtheiten dabei.
Das Thema kam bei einem Treffen während der Aqua-Expo auf. In einem Gespräch mit Philipp Baumann ( Garnelen4you.de) diskutierten wir, wie sich bestimmte Farben im Nachwuchs erklären lassen. Wir waren uns schnell einig, dass da weitere Recherche notwendig ist. Hier mein Ergebnis und die Rückschlüsse die ich daraus ziehe als Diskussionsgrundlage:
Die Vererbung von Farben bei unseren Garnelen funktioniert nach klaren Regeln. Trotzdem erzielen wir bei Verpaarungen von unterschiedlichen Phänotypen immer wieder überraschende Ergebnisse. Sind die Regeln also doch nicht klar?
An dieser Stelle ein ganz eindeutiges: „Doch“. Uns fehlen nur die entsprechenden Informationen. Wir können halt nur die Farbe sehen, aber nicht die Verteilung der Erbinformationen und welcher der Regeln sie folgen.
Die Farben unserer Garnelen werden durch die Gene bzw. die Chromosomen bestimmt. Diese enthalten alle Informationen des Körpers. Bei getrenntgeschlechtlichen Organismen liegen dabei in der Regel immer zwei Genvarianten (Genpaar) für die gleiche Information vor. Einmal vererbt von der Mutter und einmal vom Vater. Die Informationen sind dabei naturgemäß unterschiedlich.
Im Nachfolgenden beziehe ich mich rein auf die Farbe unserer Garnelen.
Mendelsche Regeln
Hier kommen dann die Mendelschen Regeln ins Spiel. Bereits 1865 publizierte Gregor Mendel seine Erkenntnisse aus jahrelanger Forschung. Diese Erkenntnisse waren für die damalige Zeit so revolutionär, dass erst 1900 – lange nach seinem Tod- die Fachwelt diese bestätigte.
Nach Mendel gibt es drei Regeln der Vererbung.
Regel 1 ist die Uniformität: Diese besagt, dass die Nachkommen reinerbiger Eltern in ihrer Farbe gleich sind. Verpaare ich also eine reinerbige transparente Neocaridina mit einer reinerbigen Roten, dann sind alle Nachkommen gleich gefärbt.
Welche Farbe zum Tragen kommt folgt einer von drei Varianten. Am bekanntesten ist dabei die dominant-rezessive Vererbung. Hier setzt sich das stärkere (=dominantere) Gen durch und der Nachwuchs zeigt die dominante Farbe. Bei dem obigen Beispiel wäre das transparent.
Zu den anderen Möglichkeiten komme ich dem Verständnis wegen später. Jeder der schon mit verschiedenen Garnelenfarben gezüchtet hat, kennt aber das Phänomen, dass der Nachwuchs teilweise transparent und teilweise rot (um im Beispiel zu bleiben) ist. Das passt scheinbar nicht zur obigen Aussage. Das erklärt sich aber durch die zweite Regel.
Die rezessive Erbinformation ist beim Nachwuchs nicht verschwunden, sondern liegt weiterhin auf dem Gen und kann somit vererbt werden. Verpaare ich spalterbige Tiere, also Garnelen, die beide Farbinformationen in sich tragen, dann wird der Nachwuchs unterschiedlich gefärbt sein. Dass folgt dann sogar einer mathematischen Logik, zumindest näherungsweise.
Als Beispiel ziehe ich jetzt die spalterbigen Nachkommen der reinerbigen Eltern aus dem oberen Beispiel heran. Obwohl die Nachkommen (erste Folgegeneration = F1) genauso farblos sind, wie der reinerbige Elternteil, haben sie die Informationen für die rote rezessive Färbung in sich. Verpaare ich zwei Tiere aus der F1, so ergibt sich bei den Nachkommen (F2) in etwa ein Anteil von 25% mit roter Färbung. Da diese Färbung rezessiv ist, sind diese Tiere reinerbig. Die restlichen Tiere sind transparent. Allerdings wissen wir nicht, ob reinerbig oder spalterbig. Von den 100% Nachkommen sind etwa 25% reinerbig rot, 25% reinerbig transparent und 50% spalterbig transparent.
Daraus können wir also folgern, dass bei unterschiedlicher Färbung der Nachkommen mindestens ein spalterbiges Tier dabei war.
Leider ist es bei den Garnelen damit aber nicht getan. Daher müssen wir noch tiefer in die Vererbungslehre einsteigen. Ich versuche es aber möglichst einfach und verständlich zu halten.
Rückfall in Naturfarbe
Unsere Garnelen haben deutlich mehr Farben und manchmal kommt es bei Verpaarungen von verschiedenen Farben zu einem Rückfall in die transparente Farbe der Naturform. Das dürfte nach den bisherigen Regeln ja eigentlich nicht passieren, da beide Farben gegenüber der Naturform rezessiv sind, müssten beide Farben reinerbig sein. Somit müsste hier wieder eine Farbe dominant gegenüber der anderen sein. Wo kommt also die transparente Farbe her?
An dieser Stelle kurz der Hinweis, dass dies rein theoretische Schlüsse sind und jemand mit passender Ausbildung und Ausstattung dies mit entsprechenden Untersuchungen nachweisen oder widerlegen müsste. Wissenschaftlich gesehen stelle ich hier nur eine These auf.
These
Bei den Garnelen gibt es zwei (oder eventuell auch drei) verschiedene Genpaare die für unterschiedliche Farben zuständig sind. In dem Fall würde die 3. Mendelsche Regel greifen, dass sich beide Merkmale unabhängig voneinander vererben.
Die Farbinformationen der Elterntiere liegen auf unterschiedlichen Genpaaren. Nehmen wir mal an Red Sakura und Blue Sapphire. Die Red Fire hat eine außenliegende Färbung (Exoskelett) und die Blue Sapphire eine innenliegende Färbung (Körper). Das deutet daraufhin, dass die Farbinformationen auf verschiedenen Genpaaren liegen könnten. In dem Fall hätte die Red Fire die dominante transparente innenliegende Färbung und die Blue Sapphire die dominante transparente Außenfärbung. Das ergibt dann im Nachwuchs komplett transparente spalterbige Tiere auf zwei Genpaaren.
Die bisher oft geäußerte Variante von unterschiedlichen Farblinien war für mich nicht vollkommen schlüssig. Auch dann müssten für farblose Varianten in der F1 meiner Ansicht nach unterschiedliche Genpaare verantwortlich sein, da bei farbigen (=rezessiv) Garnelen die Farbe reinerbig sein muss. Das Problem bei der Farblinienzuordnung ist die Feststellung der Reinerbigkeit. Heutzutage kann man kaum noch sagen, ob die angebotenen Garnelen tatsächlich reinerbig aus dieser oder jener Farblinie stammen. Dafür wurde in der Vergangenheit zuviel durcheinander gemischt. Als grobe Richtlinie ist es jedoch ausreichend. Man sollte sich nur nicht all zu sehr drauf verlassen.
Farbmischungen
Bei Verpaarungen verschiedener Farben kann es auch zu Mischfarben kommen. Mit den bisherigen Erklärungen wird es da schwierig.
Mit der obigen These kann man das mit zwei verschiedenen Farben in einer Garnele zwar herleiten, also unterschiedlicher Innen- und Außenfarbe, z.b. blauer Innenfarbe und gelber Außenfarbe könnte grün ergeben. Das dürfte in der Realität aber so nicht hinkommen, da die Außenfarbe in der Regel sehr deckend ist und die Innenfarbe damit nicht auffällt. Es gibt aber Garnelen, die zwei klare Farben haben und daher in diese Kategorie fallen. Die Blue Carbon Rili zeigt bei der außenliegenden Farbe transparente Stellen und der darunterliegende Körper ist blau. Wo das Exoskelett schwarz gefärbt ist, ist die blaue Färbung nicht zu sehen.
Bleibt die Frage wieso bei manchen Verpaarungen andersgefärbter Nachwuchs auftaucht. Hier kommen wir wieder auf die erste Mendelsche Regel zurück. Wie vorher schon erwähnt, gibt es auch andere Formen der Vererbung als dominant-rezessiv.
Intermediäre Vererbung
Hier spricht man auch von unvollständig dominantem Erbgang. Die bei den Bienengarnelen vorkommenden „Brownies“ dürften in diese Kategorie fallen. Hier ist nicht ein Elterngen vollkommen dominant, sondern es bildet sich eine Mischform. Aus roten und schwarzen Bienengarnelen kann dann eine bräunliche Bienengarnele entstehen. Wenn ich das richtig verstanden habe folgen die Mischungen dabei immer der gängigen Farbenlehre, nur abhängig davon wieviel stärker die Farbe gegenüber der anderen ist. Dabei sind verschiedene Ausprägungen möglich. Also können bei intermediärer Vererbung sowohl sehr rote, als auch sehr schwarze Nachkommen entstehen. Es kommt darauf an, ob die Elterngene in etwa „gleichstark“ sind, oder ein Gen stärker zum Tragen kommt als das andere.
Aspekt Hybridisierung
Bei unseren Garnelen kommt noch ein Aspekt hinzu, der die Sache dann komplett ausufern lässt. Viele unserer Zuchtformen sind Hybriden, also Mischformen aus zwei, oder vielleicht auch mehr Arten. Sicher werden diese alle recht nah verwandt sein, aber wie sich das auf die Verteilung der Informationen auf den Genpaaren auswirkt, ist zumindest mir noch gar nicht klar. Und das bezieht sich nicht nur auf die Caridina-Hochzuchtformen, sondern ebenfalls auf die Neocaridinaformen.